Ein fast leerer Kleiderschrank, nur ein Tisch und gerade so viele Stühle wie Personen im Haus leben, keine Dekoration, sondern Funktionalität bis in den letzten Winkel. Alles was keinen bestimmten Zweck erfüllt, muss gehen. Das stellen sich viele Minimalismus-Skeptiker unter der Lebensweise vor, die Glück verspricht, indem sämtlicher Ballast über Bord geworfen wird.
Doch so strickt muss Minimalismus nicht gelebt werden, um für mehr Zufriedenheit zu sorgen. Als Kontrastprogramm im schnelllebigen 21. Jahrhundert, kann der Ansatz unterstützend dabei wirken einen Ausgleich zu zahlreichen privaten wie beruflichen Stressfaktoren zu finden, ohne dabei sämtlichen Hausrat zu verkaufen und in eine karge 1-Zimmer-Wohnung zu ziehen.
In diesem Beitrag decken wir deswegen auf, was hinter dem Begriff Minimalismus steckt und widmen uns der Frage, wie wir zu verzichten lernen – nicht nur auf Konsumgüter, sondern auch auf Stressfaktoren und zu viel Arbeit – und Überfluss aus unserem Leben streichen können. Darüber hinaus liefern wir Tipps, wie Minimalismus in den Alltag integriert werden kann und so für mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden sorgt.
Verzicht ohne Reue: Was ist Minimalismus?
Wenn wir von Minimalismus sprechen, ist eines der Bilder, die in unseren Köpfen aufploppen, das unseres überfüllten Kleiderschranks. Obwohl wir den Schritt in die Richtung eines genügsamen Lebensstils wagen wollen, stellt er sich immer wieder in unseren Weg.
Bevor Du Deinen Kleiderschrank ausmistet, solltest Du jedoch zunächst einmal Ordnung in die Schubladen in Deinem Kopf bringen. Selbstbesinnung ist, wenn es um Minimalismus geht von großer Bedeutung – und eine Frage der Ehrlichkeit. Wir lassen uns oft und gerne von der Gesellschaft und ihren Normen beeinflussen. Das ist der einfache, aber nicht immer der richtige Weg. Denn es geht einzig und allein um Deine Bedürfnisse. Höre in Dich hinein und sei ehrlich mit Dir selbst: Brauchst Du das dritte Paar weiße Sneakers? Lässt sich das gemeinsame Dinner mit Deinen Liebsten nicht auf das Wochenende verschieben?
In den Bereichen Konsum, Arbeit und Freizeit stehen wir stetig vor der Herausforderung, uns von bestimmten Dingen zu trennen, Abläufe zu optimieren und noch schnell bestimmte Personen zu treffen, weil sonst keine Zeit für sie bleibt.
Minimalismus ist die Entscheidung Dein Leben minimal zu gestalten und in der Folge auf die Dinge zu verzichten, die Du sowohl materiell als auch emotional nicht brauchst. Denn nicht nur ein Paar Schuhe, sondern auch die Hektik, die uns in unserer modernen Zeit stets begleitet, macht uns das Leben schwer. Multitasking ist zur Selbstverständlichkeit geworden, während der Druck, der auf uns lastet, immer größer wird.
Zu Hause, bei der Arbeit, beim Shopping: Minimalismus-Tipps für Deinen Alltag
Auch wenn Minimalismus meistens mit unserem Konsumverhalten in Verbindung gebracht wird, kann er uns in vielen Lebensbereichen entlasten. Bei einem verplanten Tagesablauf und einem Haufen E-Mails, die darauf warten beantwortet zu werden, empfängt uns der Alltagsstress bereits morgens in unserem Bett.
Doch wie bewältigen wir die Belastung, die uns nicht nur in unserem Arbeitsalltag, sondern auch beim Abendessen mit Freunden oder mit der Familie einholt, wenn plötzlich unser Bildschirm aufleuchtet? Wir geben Dir das Geheimnis für Leichtigkeit und Gelassenheit sowohl im Job als auch in der Freizeit.
Zufriedener am Arbeitsplatz durch weniger Stressfaktoren
Bring für einen freien Kopf Ordnung auf Deinen Schreibtisch.
Minimalismus bei der Arbeit? Wie soll das gehen, schließlich werde ich dafür bezahlt, dass ich bestimmte Aufgaben in einer gewissen Zeit erledige. Das ist wahr, doch häufig ist der Arbeitsalltag in ein engeres Korsett gepresst, als nötig. Tätigkeiten von Telefonaten, über die Erstellung von Texten und Rechnungen bis hin zu Erledigungen für den Chef füllen die wöchentliche To-do-Liste.
Gute Planung steht deswegen im Fokus der Umsetzung von Minimalismus am Arbeitsplatz. Alles beginnt folglich mit einem gut gepflegten Kalender. Plane Dir für Deine Aufgaben feste Fokuszeiten ein, in denen Du Dich auf genau eine Aufgabe konzentrierst. Minimalismus bei der Arbeit bedeutet: Kein Multitasking und keine Akkordarbeit, sondern „alles zu seiner Zeit.“ Um die Arbeit zusätzlich zu entspannen, hilft es darüber hinaus Dich an die folgenden Regeln zu halten:
Weniger Arbeiten, mehr schaffen
Eine kürzere Arbeitszeit erhöht laut Hans Böckler Stiftung die Produktivität. Anders ausgedrückt: Weniger ist mehr. Probiere es aus, Du wirst bemerken, dass Du bei einer täglichen Arbeitszeit von sechs Stunden nahezu genauso viel schaffst, wie in acht. Konzentriere Dich auf dringende To-dos – alles andere muss sich hinten anstellen.
Vergiss dabei nicht, regelmäßige Pausen einzulegen in denen Du bewusst und tief durchatmest. Gönne Dir zwischendurch einen Spaziergang an der frischen Luft oder verlege Dein Mittagessen auf die Terrasse.
Gönne Dir im Arbeitsalltag eine Auszeit.
Lösungsorientierte Kommunikation
Auch die Kommunikation mit Kunden und Kollegen muss manchmal wie ein Kleiderschrank entrümpelt werden. Hinterfrage die Gespräche, die Du täglich führst. Sind sie wirklich zielführend oder schaffen sie nur neue Probleme? Richte Deinen Fokus auf die Lösung des Problems – und darauf, wie es zukünftig vermieden werden kann.
Ablenkungen vermeiden
Nicht zuletzt im Homeoffice fällt uns das bekannte Phänomen der Prokrastination nur zu leicht. Um Ablenkungen zu entgehen und pünktlich zum Feierabend fertig zu sein, hilft Dir eine minimalistische Einrichtungsstrategie. Verbanne private Gegenstände von Deinem Schreibtisch, schließe die Tür zu Deinem Arbeitsbereich und richte Deinen Arbeitsort so spartanisch wie möglich ein. So wirst Du mental entlastet und nicht ständig an Dinge erinnert, die Du eigentlich viel lieber tun würdest oder läufst Gefahr nur mal kurz die Spülmaschine auszuräumen.
Kommunikationswege und Zeiten festlegen
Wie Deine Pausen, sollte es auch für die Kommunikation mit Deinen Kunden oder Kollegen feste Zeiten geben. Das heißt nicht, dass Du Deinem Chef die Tür vor der Nase zuknallst, wenn er spontan in Dein Büro kommt, aber dass Du Dir überlegst, wann Du Dich beispielsweise um die E-Mail-Korrespondenz kümmerst. So kommst Du nicht ständig in Versuchung zwischendurch auf Deine Nachrichten zu antworten.
Zeit für Dich und das was wirklich zählt: Minimalismus in der Freizeit
Durchatmen: Lege eine Pause ein.
Doch nicht nur bei der Arbeit, auch in der Freizeit lassen und Stress und zahlreiche Termine nicht los. Feste Zeiten für alles einzuplanen, was Du Dir für das Wochenende vorgenommen hast, ergeben nicht nur Sinn, wenn es darum geht, den Besuch Deiner Großeltern und den Abend mit Deinen Freunden unter einen Hut zu bekommen. Auch die eine Stunde Zeit, die Du Dir täglich für Dein neues Buch einräumen möchtest, findet seinen Platz in Deinem Kalender.Gleiches gilt für Ruhezeiten, in denen Du Dich von Menschenmengen erholen kannst. Hier gilt die goldene Regel: Alles, was Blaulicht ausstrahlt, muss weg. Feste Internetzeiten verhindern nicht nur, dass Du Dich während Deiner Yoga-Zeit von digitalen Ablenkungsmanövern einnehmen lässt, sondern auch, dass Du Dich in Deinen Pausen von den Ads Deines Instagram-Feeds, zu unnötigen Käufen überreden lässt.
Ist Dir die strikte Planung Deiner Zeit zu unspontan, hilft Dir vielleicht eine Liste, auf der nur die Unternehmungen Platz finden, die Dich bereichern und glücklich machen oder Erledigungen, die unbedingt getan werden müssen. Alles, was nicht wichtig genug für die Liste ist, erhält einen optionalen Status und findet nur statt, wenn es keinen Stress auslöst.
Weniger ist mehr – bewusst und nachhaltig konsumieren
In Sachen Konsum bringt Dich die Kalenderstrategie leider nicht weiter. Deswegen lautet das Motto hier: Qualität vor Quantität. Dich auf eine bestimmte Anzahl an Kleidungsstücken zu beschränken, bedeutet dabei nicht, dass Du auf alles verzichten musst, was Du gerne in Deinen Schrank hängen würdest.
Hinterfrage bei jeder Neuanschaffung, ob sie wirklich notwendig ist und Dich zufriedener macht und überlege Dir, worauf es Dir wirklich ankommt: Auf eine haltbare, nachhaltig produzierte Hose die lange hält oder reicht Dir ein Wegwerfprodukt, dass nur ein paar Wochen gut aussieht oder das unter schlechten Bedingungen für Mensch und Natur hergestellt wurde?
Um unnötige Spontankäufe zu vermeiden, hilft es außerdem, Deinen Konsum ähnlich wie Deine Aufgaben zu planen. Wenn Du etwas siehst, was Dir gefällt, setze es auf Deine Liste und schlafe mindestens eine Nacht darüber, noch besser ist es wenn Du Deiner Entscheidung eine Woche oder mehr Zeit gibst. Solltest Du dann immer noch an Deiner Entscheidung festhalten, ist die Entscheidung eine bewusste und nicht impulsive. Oft merken wir dann nämlich dass das, was wir gerade noch unbedingt haben wollten, plötzlich doch gar nicht mehr so wichtig ist.
Leider ist es in unserer Gesellschaft mittlerweile normal, dass wir defekte Konsumgüter schnell ersetzen. Frage Dich daher vor jedem Neukauf ob Du das Teil wirklich häufig benutzt, oder sich eventuell reparieren lässt oder Du es in Zukunft bei Bedarf bei Freunden und Bekannten ausleihen kannst.
Auch für die Inhalte Deines Kühlschranks gilt dieses Prinzip. Dass Plastik schädlich für Mensch, Tier und die Umwelt ist, wissen wir alle. Wenn Du dieser Müllflut entkommen willst, probiere stattdessen doch mal einen Einkauf in einem Unverpacktladen. Hier kannst Du die Grundnahrungsmittel die du täglich brauchst in exakt den Mengen kaufen, in denen Du sie konsumierst und beugst so automatisch auch der Lebensmittelverschwendung vor. Kaufe bewusster ein, nimm einen Beutel und Einkaufsnetze für Deine Einkäufe mit und lasse nur die Lebensmittel in Deinem Einkaufskorb landen, die Du guten Gewissens genießen kannst und die Dein Wohlbefinden unterstützen.
Besinne Dich auf Deine Werte
Weniger ist mehr: Beschränke Dich auf auf das Wesentliche
Klamotten loswerden, nichts Neues kaufen und nur noch Bio Lebensmittel essen – das bedeutet Minimalismus für viele, die nicht mit dem Begriff vertraut sind. Doch ein minimalistischer Lebensstil ist viel mehr als das. Es ist die Besinnung auf das, was Dir wichtig ist – im Beruf, in der Freizeit und auch beim Shopping.
Auch wenn Du Dein Leben nicht schlagartig umzukrempeln willst, lohnt es sich, den ersten Schritt zu tun. Denn wenn Du einmal den Startschuss gegeben hast, wirst Du bemerken, wie gut es tut, sich für Dich, Deine Werte und das was Dir wichtig ist einzusetzen.
Große Veränderungen brauchen Zeit und passieren selten von heute auf morgen. Doch auch wenn Du mit kleinen Schritten beginnst, werden Dich diese langsam aber sicher an Dein Ziel und zu mehr Zufriedenheit bringen.
Titelbild von Jess @ Harper Sunday. Weitere Bilder von STIL, (…), Nikita Kachanowski und Kenrick Mills.
